„Zuerst war es ein Schock“

Mit seinem überraschenden Wechsel von den Toronto Raptors zu den San Antonio Spurs Mitte Juli hat sich in den kommenden Monaten eine neue Herausforderung für Jakob Pöltl ergeben. Wie es dem ersten Österreicher in der NBA angesichts der starken Konkurrenz in Texas ergehen wird? Daniel Engelbrecht hat  im #InterviewdesMonats Juli mit dem 22-jährigen Wiener gesprochen, der von seiner neuen Aufgabe begeistert zu sein scheint. Außerdem erzählt Pöltl von seiner Zeit am College in Utah, fragt sich gemeinsam mit Engelbrecht, warum in der NBA keine Trikots wie beim Fußball getauscht werden und  plaudert am Schluss noch über den Basketballsport in seiner Heimat Österreich.
Frage: Sie gehen in Ihre dritte NBA-Saison, nach zwei Jahren bei den Toronto Raptors erfolgt nun der Wechsel zu den San Antonio Spurs. Können Sie beschreiben, wie die ersten Minuten waren, als Sie vom Trade erfahren hatten? Wen haben Sie zuerst angerufen?
Zuerst war es natürlich schon ein Schock, da man selbst auf einen Trade keinen Einfluss hat, aber ich habe mich schnell damit anfreunden können, zu einer der besten Organisationen in der NBA zu wechseln.

(c) talking-heads.at

Frage: Wurden Sie persönlich informiert, oder haben Sie davon aus den sozialen Netzwerken erfahren?
Mein Agent hat mich informiert, dass etwas passieren kann und mich dann auf dem Laufenden gehalten…
Frage: Ein solch spontaner Trade zeigt natürlich die Schnelllebigkeit des US-Sports. Sind Sie unter Umständen verbittert, oder haben Sie gar das Gefühl, dem alten Club nicht „gut genug“ gewesen zu sein?
Nein, so sehe ich das überhaupt nicht. Der Trade kam ja wegen des Tausches der Superstars Kawhi Leonard gegen DeMar DeRozan zustande. Damit das Ganze funktioniert, mussten noch andere Spieler miteinbezogen werden, das hätte einige treffen können. Wie es genau abgelaufen ist, werde ich vielleicht nie erfahren, aber es kann durchaus sein, dass die Spurs gerade mich wollten, weil sie auf meiner Position noch Verstärkung gebraucht haben und sie mich als Spieler schätzen. So gesehen kann man das auch als Kompliment auslegen.
Frage: Markieren Sie sich nun die Spiele gegen die Raptors besonders im Kalender? Werden Sie gegen Ihr altes Team mit besonderer Rivalität agieren?
Es werden sicher sehr besondere Spiele, weil es gegen sehr gute Freunde geht. Eine spezielle Rivalität sehe ich da nicht, das trifft vielleicht eher auf DeMar DeRozan zu.
Frage: Für einen jungen Spieler wie Sie ist es sicherlich auch menschlich herausfordernd, eine pulsierende Großstadt wie Toronto just nach der Eingewöhnung zu verlassen und in das beschaulichere San Antonio zu ziehen. Nimmt Sie das persönlich mit, Ihre neu gewonnene Heimat so schnell wieder zu verlassen? Welche der beiden Städte ist Ihnen lieber?
San Antonio ist immerhin die siebentgrößte Stadt der Vereinigten Staaten, also auch nicht gerade klein. Ich muss die Stadt erst richtig kennenlernen, aber es wird definitiv eine Umstellung werden,  auch, was die Temperaturen betrifft.
Frage: Bei Ihrem neuen Verein, den San Antonio Spurs, sitzt mit Gregg Popovich einer der besten, wenn nicht sogar der beste Trainer der Liga, am Steuer. Was erwarten Sie sich persönlich von der Zusammenarbeit mit ihm?
Unter einem so legendären Trainer zu spielen, ist eine unglaubliche Sache. Ich freue mich sehr darauf, von ihm zu lernen und die gesamte Spurs-Kultur kennenzulernen.
Frage: Erwarten Sie sich von Anfang an Minuten bei den Spurs, oder gehen Sie davon aus, sich erst einmal bei Konkurrenten wie Gasol, Bertans oder Aldrige hinten anstellen zu müssen?
Ich denke, dass ich gute Chancen auf einen Platz in der Rotation habe, wenn ich meine Leistung im Training und dann in den Spielen bringe. Falls LaMarcus Aldridge mehr als Power Forward eingesetzt wird, kommen nach derzeitigem Stand nur Pau Gasol und ich als Center infrage. Wird „kleiner“ gespielt, wird es mit den Minuten enger, aber ich gehe davon aus, dass ich im Laufe der Saison genügend Chancen bekommen werde. Erarbeiten werde ich mir meine Minuten aber auf jeden Fall müssen.
Frage: Sie haben sich in der Vergangenheit immer wieder selbst als vorrangigen Defensiv-Spieler tituliert. Wird sich dies nun bei Ihrem neuen Verein ändern?
Ich werde gut verteidigen müssen, um auf dem Feld bleiben zu können. Ich will mich offensiv weiterentwickeln, aber die Defense muss meine Stärke bleiben.
Frage: Woran arbeiten Sie speziell in der Off-Season?
Ich habe bislang viel am Wurf, an diversen Abschlüssen und in der Kraftkammer gearbeitet.
Frage: Bei den Raptors haben Sie in der vergangenen Saison hauptsächlich aus Pick and Roll-Situationen und durch Put Backs gescored. Denken Sie, dass dies bei Ihrem neuen Team ähnlich sein wird oder dürfen sich die Zuschauer auf eine Umstellung gefasst machen?
Mein Spiel wird sich nicht von einer Saison auf die andere grundlegend ändern. Die Spurs sind für ihre tolle Ballbewegung bekannt, vielleicht bekomme ich den einen oder anderen leichten Korb mehr. Ich muss aber die Preseason abwarten, um zu sehen, was von mir verlangt wird.
Frage: Vor Ihrem Einstieg in die NBA waren Sie am College in Utah. Ihre sportliche Entwicklung dort ist bekannt, doch die Öffentlichkeit weiß nur wenig über Ihre akademische Ausbildung. Wie bringt man ein Wirtschaftsstudium mit Basketball unter einen Hut, wenn man Profi werden möchte?
Ich habe mir relativ leicht getan, der Fokus lag aber gerade am Ende des zweiten Jahres auf Basketball. Da war mir schon klar, dass ich in die NBA gehen würde.
Frage: Gab es eine Sonderbehandlung seitens der Professoren?
Es wird Rücksicht darauf genommen, wenn man wegen Spielen nicht anwesend sein kann, aber man muss alles nachholen. Sonderbehandlung gab es also, zumindest bei mir, keine.
Frage: Wer ist Ihr persönliches Vorbild in der NBA und warum?
Es gibt einige Spieler, von denen ich mir etwas abschaue, dazu gehört Pau Gasol. Ich freue mich extrem darauf, von einem Weltstar wie ihm tagtäglich etwas zu lernen. Er ist für einen Big Man sehr vielseitig und spielintelligent.
Frage: Die Fußball-Weltmeisterschaft ist nur wenige Wochen her, vielen Fans bleiben die Bilder der Spieler, die nach dem Spiel ihre Shirts tauschen, im Gedächtnis. Warum werden in der NBA nie, beziehungsweise nur sehr selten, nach der Schlusssirene die Trikots getauscht?
Eine interessante Frage – im Basketball gibt es das praktisch nicht, warum, weiß ich auch nicht.
Frage: Abschließend noch ein paar Fragen zum österreichischen Basketball: Sie sind ein ehrgeiziger Spieler und haben das Nationalteam für das Spiel gegen Deutschland Ende Juni verstärkt, trotzdem wurde die WM-Qualifikation klar verpasst. Worauf führen Sie das zurück?
Wir konnten in der ganzen Quali-Phase nie komplett antreten und haben uns nur kurz auf die einzelnen Spiele vorbereiten können. Wir haben nicht die nötige Tiefe, um zwei, drei Ausfälle gegen Top-Gegner verkraften zu können. Die Chance auf die nächste Quali-Phase war sicher nicht unrealistisch, aber es hätte alles optimal laufen müssen.
Frage: In Ihrer Heimat Österreich ist Basketball ein Randsport, der Stellenwert in der Gesellschaft ist, im Vergleich zu anderen Sportarten, wie Fußball oder Schifahren, marginal. Worauf führen Sie es zurück, dass sich der Basketballsport in Österreich nicht flächendeckend durchsetzen kann?
Wir haben keine große Basketball-Tradition, es wird in den Medien wenig berichtet und zu wenige Kinder spielen Basketball. Erfolge mit dem Nationalteam würden den Sport sicher populärer machen, deswegen hoffe ich auf eine erfolgreiche Qualifikation für die EM 2021.
Frage: Sie haben Ihren Wert als mögliche Galionsfigur für den Basketball in Österreich bereits erkannt, schon im Interview mit der „Kleinen Zeitung“ im April 2018 hatten Sie bemerkenswert offen damit spekuliert, in diesem Bereich verstärkt agieren zu wollen. Sie selbst sprachen von eigenen Nachwuchscamps, die Sie organisieren wollen. Haben Sie diesbezüglich schon konkrete Pläne gefasst oder liegt der Fokus darauf erst nach Ihrer Karriere in der NBA?
Es gibt noch keine detaillierten Pläne, aber ich möchte das Thema in näherer Zukunft angehen.

Jakob Pöltl (*15. Oktober 1995 in Wien) geht ab Herbst in seine dritte NBA-Saison. Der Sohn zweier Ex-Volleyball-Nationalspieler steht nach seinem spontanen Wechsel zu den San Antonio Spurs  Mitte Juli vor einer neuen Herausforderung in seiner noch jungen Karriere.
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